Autor Thema: Minarettverbot in der Schweiz  (Gelesen 5887 mal)

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tricky

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Minarettverbot in der Schweiz
« am: Mo., 30. November 2009, 14:28 »
Schalom zusammen!

Denke, dass dieses Thema hier am besten passt. Gestern (29.11.2009) haben sich die Schweizer mehrheitlich gegen den Bau von Minaretten ausgesprochen. Diese Entscheidung bedeutet, dass sich die Schweiz jetzt ein Verfassungsgesetz verpassen muss, das diesem Volksentscheid entspricht.

Was denkt ihr zu der Sache? Religionsfreiheit? Soll man alles bauen dürfen oder nicht?

57 % der Schweizer sind eine deutliche Mehrheit. Wenn man diesem Ergebnis nicht nachkommt, sollte man im Gegenzug gleich die Demokratie abschaffen.

Oder soll man das Volk über bestimmte Themen gar nicht abstimmen lassen? Wenn ja, welche Themen sind das, nach welchem Maßstab setzt man die Grenzen?

Wie wichtig ist den Moslems ein Gebetshaus mit Minarett? Reicht ihnen auch eine Moschee, oder muss es vollständigkeitshalber ein Minarett sein?

viele Grüße

Tricky

Aisha

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Antw:Minarettverbot in der Schweiz
« Antwort #1 am: Mo., 30. November 2009, 18:31 »
Schalom,

Zitat von: Tricky
Was denkt ihr zu der Sache? Religionsfreiheit? Soll man alles bauen dürfen oder nicht?

Natürlich sollte man seine heiligen Stätten so bauen dürfen, wie man es für angebracht hält.
Das Argument : "Es ist nicht in allen  islamischen Staaten erlaubt Kirchen zu bauen...." hält da nicht stand, denn entweder hat man Religionsfreiheit oder nicht!!!
Der Vergleich zwischen Demokratien mit Menschenrechten und Diktaturen ist absurd.


Zitat
57 % der Schweizer sind eine deutliche Mehrheit. Wenn man diesem Ergebnis nicht nachkommt, sollte man im Gegenzug gleich die Demokratie abschaffen.

Nein, man sollte verfassungswidrige  Abstimmungen , die gegen die Menschenrechte verstoßen, erst gar nicht zulassen.

Zitat
Oder soll man das Volk über bestimmte Themen gar nicht abstimmen lassen? Wenn ja, welche Themen sind das, nach welchem Maßstab setzt man die Grenzen?

Der Maßstab sollte die Verfassung sein. Wenn in der Verfassung Menschenrechte eindeutig festgeschrieben sind, wie Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, usw. , darf es keine Abstimmung gegen diese festgesetzten Rechte geben.

Zitat
Wie wichtig ist den Moslems ein Gebetshaus mit Minarett? Reicht ihnen auch eine Moschee, oder muss es vollständigkeitshalber ein Minarett sein?

Das weiß ich als Nicht-Muslimin nicht, ich denke aber, dass es wichtig ist. In jeder Kirche gibt es einen Kirchturm mit Glocke, in einer Moschee einen Turm, wo zum Gebet aufgerufen wird. Es scheint mir doch eine wichtige Funktion zu sein.

Meine Gedanken zu dieser Sache gehen weit über diese Abstimmung in der Schweiz hinaus.
Die Wurzel des Problems ist immer dieselbe: Unsicherheit , Angst vor dem Fremden.

In Österreich möchte nun eine Partei gleich die Beschneidung abschaffen

Hier

Unbeschnittener Rassismus im Wiener Parlament

Ob der HC Strache bewusst die Zeit des nahenden Chanukka-Festes gewählt hat , bezweifle ich sehr, die Symbolik ist jedoch grausig. Damals wollten die Seleukiden die Beschneidung abschaffen, töteten Tausende....Heute fühlen sich die Vertreter des "Abendlandes in Christenhand" dermaßen bedroht, dass sie zu antiken Mitteln greifen wollen.

Mir zeigen all diese europaweiten Vorkommnisse nur eines:
Das Christentum leidet an einer Identitätskrise, denn wer sich seiner Sache sicher ist, braucht vor nichts Angst haben.

schalom

Aisha

tricky

  • Gast
Antw:Minarettverbot in der Schweiz
« Antwort #2 am: Di., 01. Dezember 2009, 09:59 »
Schalom!

Zitat
Natürlich sollte man seine heiligen Stätten so bauen dürfen, wie man es für angebracht hält.
Das Argument : "Es ist nicht in allen  islamischen Staaten erlaubt Kirchen zu bauen...." hält da nicht stand, denn entweder hat man Religionsfreiheit oder nicht!!!
Der Vergleich zwischen Demokratien mit Menschenrechten und Diktaturen ist absurd.

Das bedeutet also, dass die Religionsfreiheit über architektonische Ästhetik zu bewerten ist. Klar, mich fragt ja auch keiner, ob der Büroturm der x-ten Bank, der 30 und mehr Stockwerke hat, meinem ästhetischen Geschmack entspricht.

Der Vergleich, den du erwähnst ist zu billig. Weil wer ist denn der Standard in diesen Belangen, die oder wir?


Zitat von: Aisha
Nein, man sollte verfassungswidrige  Abstimmungen , die gegen die Menschenrechte verstoßen, erst gar nicht zulassen.

Zitat von: Aisha
Der Maßstab sollte die Verfassung sein. Wenn in der Verfassung Menschenrechte eindeutig festgeschrieben sind, wie Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, usw. , darf es keine Abstimmung gegen diese festgesetzten Rechte geben.

Aber wenn die Menschen eine andere Verfassung wollen? Ich meine der Grundansatz der Demokratie ist doch, dass sie sich auch selbst immer wieder neue Verfassungen, Gesetze usw. gibt. Es muss in einer Demokratie doch möglich sein alles demokratisch zu bestimmen.
Wenn das für die Schweiz heißt, dass sie die Menschenrechte abschaffen, dann sollen sie das tun (so fürchterlich das auch wäre). Ich meine, wenn sie es wollen, was soll man dagegen sagen, wenn man nicht im Gegenzug die Demokratie beschneidet.

Man sollte vielleicht größere Hürden einbauen, das wäre sinnvoll. Eine Volksabstimmung sollte, sofern sie eine Verfassungsfrage betrifft eben auch eine Verfassungsmehrheit (in der Schweiß auch 2/3 oder 3/4 der Bevölkerung?) benötigen.


Zitat von: Aisha
Meine Gedanken zu dieser Sache gehen weit über diese Abstimmung in der Schweiz hinaus.
Die Wurzel des Problems ist immer dieselbe: Unsicherheit , Angst vor dem Fremden.

Das ist doch auch genau die Sache. Irgendeine dahergelaufene, populistische und billige Partei (in diesem Fall die SVP) spielt mit den Ängsten der Menschen. War bei Bush nicht anders. Die Frage ist, ob jemand, der seinen Gefühlen und primitiven Ansichten nachgibt und eben solche Abstimmungen mitbestimmt, dann wenn er das Malheur, das er angerichtet hat sieht, auch draufkommt, was er angerichtet hat. Oder stehen die Initiatoren dieser Aktionen dann mit einem neuen Feindbild parat und schieben wieder alles ab.

Das beste Beispiel dafür ist ja die FPBZÖ. Erst ein Feindbild aufbauen. Dann, daraufhin Macht bekommen, alles in den Abgrund treiben, im Abgrund dann laut schreien, dass alle anderen Schuld sind. Beispiel: Hypo Alpe Adria. Dörfler sagt, sie haben kein Geld, verteilt aber im Gegenzug persönlich Geld an die Bevölkerung. Superheuchlerisch.


Zitat von: Aisha
Unbeschnittener Rassismus im Wiener Parlament

Ob der HC Strache bewusst die Zeit des nahenden Chanukka-Festes gewählt hat , bezweifle ich sehr, die Symbolik ist jedoch grausig. Damals wollten die Seleukiden die Beschneidung abschaffen, töteten Tausende....Heute fühlen sich die Vertreter des "Abendlandes in Christenhand" dermaßen bedroht, dass sie zu antiken Mitteln greifen wollen.

wundert mich kein bisschen, dass sowas von dieser Seite kommt. Das Problem, das ich bei der Sache habe, wenn man das negiert und komplett ablehnt, stellt man sich gegen die Demokratie. Die Demokratie will in dem Prozentsatz indem diese Parteien gewählt werden, deren Anliegen. Fürchterlich, aber demokratisch. Ich hasse diesen Gegensatz.


Zitat von: Aisha
Mir zeigen all diese europaweiten Vorkommnisse nur eines:
Das Christentum leidet an einer Identitätskrise, denn wer sich seiner Sache sicher ist, braucht vor nichts Angst haben.

Schwer auszumachen hierbei ist, wer DAS CHRISTENTUM ist? Die demokratische Mehrheit der Katholiken? (obwohl sie unterschiedliche Parteien wählen) Nur die, die auch wirklich christlich leben wollen? Strache & Co (in meinen Augen von Christen soweit entfernt wie der Mars vom Pluto)?

Als Ideologie gebe ich dir vollkommen Recht. Niemand, der weiß, was er tut und es richtig tut (im Allgemeinen), muss sich vor etwas fürchten. Aber wenn man nur halb-halb auf einer Seite (christlich) und der anderen (menschenfeindlich) humpelt, wird das nichts werden mit dem Selbstwert und der Selbstachtung.

viele Grüße

Tricky


Aisha

  • Gast
Antw:Minarettverbot in der Schweiz
« Antwort #3 am: Do., 03. Dezember 2009, 12:35 »
Schalom Tricky,

Zitat
Das bedeutet also, dass die Religionsfreiheit über architektonische Ästhetik zu bewerten ist. Klar, mich fragt ja auch keiner, ob der Büroturm der x-ten Bank, der 30 und mehr Stockwerke hat, meinem ästhetischen Geschmack entspricht.

Nein, das bedeutet es nicht. Hier geht es nicht um Ästhetik , sondern um Diskriminierung. Es stört das Symbol und nicht das Bauwerk selbst. Ästhetisch sind die Muslime durchaus bereit, sich der Landschaft anzupassen . Meistens fällt der Turm dann sehr klein aus.


Zitat
Aber wenn die Menschen eine andere Verfassung wollen? Ich meine der Grundansatz der Demokratie ist doch, dass sie sich auch selbst immer wieder neue Verfassungen, Gesetze usw. gibt. Es muss in einer Demokratie doch möglich sein alles demokratisch zu bestimmen.

Das hängt davon ab, wie du Demokratie definierst.
Reicht es alleine , dass das Recht vom Volk ausgeht, dann war das Nazi-Regime eine Demokratie  ;D
denn immerhin wurden sie gewählt.

Für mich ist der Begriff Demokratie ohne demokratische Verfassung nicht vorstellbar. Eine demokratische Verfassung schließt Menschenrechte ein. Der Iran ist für mich deshalb keine Demokratie, sondern ein Regime.


Zitat
Wenn das für die Schweiz heißt, dass sie die Menschenrechte abschaffen, dann sollen sie das tun (so fürchterlich das auch wäre). Ich meine, wenn sie es wollen, was soll man dagegen sagen, wenn man nicht im Gegenzug die Demokratie beschneidet.

Nein, dann wäre es keine Demokratie mehr und man überlegt schon , sie aus dem Völkerbund auszuschließen.

Zitat
Man sollte vielleicht größere Hürden einbauen, das wäre sinnvoll. Eine Volksabstimmung sollte, sofern sie eine Verfassungsfrage betrifft eben auch eine Verfassungsmehrheit (in der Schweiß auch 2/3 oder 3/4 der Bevölkerung?) benötigen.

In der Schweiz ist das Recht etwas anders. Dort können Angelegenheiten vom Volk abgestimmt werden, die in anderen Ländern unmöglich wären.

Aisha

tricky

  • Gast
Antw:Minarettverbot in der Schweiz
« Antwort #4 am: Mi., 09. Dezember 2009, 14:29 »
Schalom zusammen!

Das habe ich schon seit langem gesucht und endlich gefunden - ich musste daran denken als ich dieses Thema eröffnet und diskutiert habe. Ich finde, dass diese Karikatur eine sehr treffende Darstellung des Problems ist. Traurig aber wahr:



viele Grüße

Tricky

 

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