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Kelipot und Sitra Achra - Zwei Seelen
« am: Do., 15. Juli 2010, 19:20 »
Kelipot und Sitra Achra
 
G-tt ist gut. Es entspricht G-ttes Natur, gut zu sein. Warum hat er dann das Böse erschaffen? Warum leben wir in einer Welt, wo es viele Ungerechtigkeiten gibt und wo die Bösen die Oberhand haben? Die jüdische Philosophie beantwortet diese zeitlosen Fragen damit, dass G-tt die Welt erschuf, um seinen Geschöpfen Gutes zu tun, - eben weil G-tt gut ist und es seiner Natur entspricht, Gutes zu tun. Das größte Gut, das Er Seinen Geschöpfen übermitteln kann, ist Er selbst. Um diese Auszeichnung zu erhalten, und damit sie nicht Sohar (das Brot der Schande) - eine unverdiente Auszeichnung sein würde-, hat uns G-tt Willensfreiheit gegeben, die es uns ermöglicht, das Gute dem Bösen vorzuziehen. Der Auftrag der Juden ist es, den Gefahren und Versuchungen dieser Welt zu widerstehen, indem sie Tora und Mitzwot halten.

Die Anstrengung, gegen die Böse Neigung anzukämpfen, wird in der Olam HaBa (Zukünftigen Welt) belohnt. Dort wird der Seele alles Physische abgenommen, und sie sonnt sich im Licht der Schechina (G-ttlichen Gegenwart). Die Schöpfung des Bösen ist daher nötig, um den Menschen Willensfreiheit zu gewähren. Die Willensfreiheit ist ein Sprungbrett für die letztendliche Belohnung.

Trotzdem ist der letztendliche Sinn der Schöpfung, G-tt eine Wohnstätte in dieser Welt zu schaffen. G-tt erschuf eine physische Schöpfung, die ihre G-ttliche Herkunft verbirgt. Er blies eine Seele in einen Körper, damit sie den Körper verfeinert und ihn und seinen Anteil an dieser Welt erhebt. Obwohl die Seele für ihre Anstrengungen in der Zukünftigen Welt belohnt werden wird, ist der letztendliche Sinn der Schöpfung in dieser Welt.

Die größte Errungenschaft der Seele ist es, einen groben Körper, der naturbedingt animalisch ist, dazu zu verwenden, Dunkelheit in Licht und Bitterkeit in Süße zu verwandeln. Die Seele ist selbst tadellos und heilig und bedarf keiner Korrigierung.

Wie wir an Jakob’s Leiter (siehe Kapitel 11 „Die Leiter“) sehen können, ist es der Sinn der Seele, dass sie in diese Welt herabsteigt, um dann wieder hinaufzusteigen. Sie erreicht hier etwas, das sie in der Zukünftigen Welt gar nicht erreichen kann: Obwohl sie in der niedrigsten aller Welten ist, kann sie die animalischen Triebe und Leidenschaften überwinden, um G-ttes Sinn der Schöpfung zu erfüllen.

Während die Seele in diese traurige und verwirrte Welt herabsteigt, ist ihr klar, dass es der Sinn ihres Abstiegs ist, hinaufzusteigen. König Solomon beschreibt in seinem „Lied der Lieder“ diesen Zustand als „schwarz, aber schön“ (Lied der Lieder 1:5). Der Abstieg der Seele in den Körper ist dunkel, aber schön, da er den Sinn der Schöpfung darstellt. So gesehen wird deutlich, dass die Gegenwart des Bösen der Herausforderung, eine Dira Be Tachtonim (G-ttliche Wohnstätte) herzustellen, entspricht.

WAS IST EINE KELIPA?

In der Kabbala wird der Begriff Kelipa verwendet, um das Böse zu beschreiben. Wörtlich übersetzt bedeutet Kelipa (Schale), wie die Schale des Obstes.

Eine Apfelsine trocknet aus, wenn sie keine schützende Schale hat. Wenn man sie isst, dann wirft man die Schale aber weg. Die Schale ist nur dazu da, die Frucht zu schützen. Dasselbe gilt für das Böse. In den Chassidischen Schriften werden die Begriffe Pnimiyut HaRatzon (innerer Wille) und Chitzoniyu HaRatzot (äußerer Wille) benutzt. Zur Arbeit zu gehen, bedeutet, sich mit dem Beruf nur deshalb zu beschäftigen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Es ist also eine Beschäftigung durch den äußeren Willen. Das innere Verlangen ist es, Geld zu verdienen, um tun zu können, was man wirklich möchte. Die Existenz der Kelipot stammt von G-ttes äußerem Willen, während Keduscha vom inneren Willen G-ttes stammt.

In der Kabbala wird alles in dieser Welt in Sitra D’Keduscha (die Seite der Heiligkeit) und in Sitra Achra (die Seite der geistigen Unreinheit), d.h. die andere Seite oder die Seite der Kelipa unterteilt. Dazwischen gibt es nichts, d.h. jeder Gedanke, jedes gesprochene Wort, jede Tat und jedes Geschöpf kommt entweder von Keduscha oder Kelipa.

Die heilige Seite ist die Wohnstätte und Erweiterung der Heiligkeit G-ttes. Heiligkeit verleugnet sich selbst gegenüber dem Ewigen, wie es z. B. die Engel tun, oder wie es jedem Juden möglich ist, der die Möglichkeit hat, sich selbst gegenüber G-tt aufzugeben. Das ist die Bedeutung des Spruches der Weisen: Wenn sich jemand dem Torastudium widmet, dann ruht auf ihm die Schechina (G-ttliche Gegenwart). Was sich aber gegenüber G-tt nicht aufgibt, also gegenüber Seiner Gegenwart unaufmerksam ist und damit eine getrennte Einheit darstellt, erhält seine Kraft nicht vom inneren Willen der Heiligkeit. Seine Kraft kommt vielmehr von der Gegend Sohar (hinter seinem Rücken), wie sie im Buch der Tanja zitiert wird. Seine Kraft kommt über unzählige Stufen und Zusammenziehungen hinunter, bis das Licht so vermindert ist, dass es komprimiert und im Zustand des Exils in diesem getrennten Ding eingeschlossen werden kann. Zwar hängt die Existenz dieses Gebildes total von G-tt ab, doch hat Er es widerwillig erschaffen, um den Sinn der Schöpfung zu erfüllen.

In der Kabbala werden außerdem zwei unterschiedliche Arten von Kelipa beschrieben: Kelipat Noga (Kelipa, die erleuchtet werden kann) und Schalosch Kelipot Hatmayot (drei ganz und gar unreine Kelipot). Kelipat Noga kann verbessert und verfeinert werden, während die einzige Art der Verbesserung oder Erlösung der drei unreinen Kelipot ihre Zerstörung ist.

In dem Kampfwagen des Propheten Esekiel werden die drei unreinen Kelipot „Wirbelwind“, „große Wolke“ und „loderndes Feuer“ genannt, während Kelipat Noga als „das Durchsichtige [noga] darum“ beschrieben wird (Esekiel 1). Aus den drei unreinen Kelipot gehen die Seelen aller lebenden, nicht-koscheren Geschöpfe hervor, sowie alle verbotenen Nahrungsmittel der Vegetation wie zum Beispiel Orla (die Früchte der ersten drei Jahre eines Obstbaumes). Die Existenz und Kraft aller Taten, Äußerungen und Gedanken, die mit den 365 negativen Geboten und ihren Ablegern zu tun haben, kommen auch von den Kelipot. Auf der anderen Seite kommt von der Kelipat Noga die Nefesch HaBehamit des Juden, sowie die Seelen der koscheren Geschöpfe, die ganze unbelebte Welt und die Vegetation, die konsumiert werden darf. Weiterhin alle Taten, Äußerungen und Gedanken, die keinen verbotenen Aspekt beinhalten, ob sie zum Lob des Himmels oder nicht ausgeübt werden.

Ein Jude besteht aus zwei Seelen (siehe Kapitel 22 „Der Benoni“): Der Nefesch Elokit und der Nefesch HaBehamit. Die Seelenkräfte der Nefesch Elokit bemühen sich um Keduscha, während sich die Seelenkräfte der Nefesch HaBehamit nach Kelipa sehnen. Diese beiden Seelen wetteifern darum, die Gedanken, Sprache und Taten des Menschen, die oft die „Gewänder der Seele“ genannt werden, zu kontrollieren. Man hat dauernd die Wahl, die Seele mit heiligen (Keduscha-) oder unheiligen (Kelipa-) Gewändern zu überströmen. Wenn man zulässt, dass die Nefesch HaBehamit die Gedanken bestimmt, dann können die Seelengewänder durch die Unreinheiten der tierischen Triebe kontaminiert werden. Diese Unreinheiten sind eitel und ruinieren die Seele. In der Arena der Gedanken und des Herzens spielt sich dieser Kampf ab. Das Ziel dieses Kampfes ist es, die drei unreinen Kelipot zu zerstören und die Kelipat Noga zu verfeinern, so dass die Nefesch HaBehamit (tierische Seele) und ihre Seelenkräfte auf Keduscha (Heiligkeit) hinarbeiten. Das kann mit einem Joch, das auf einen Ochsen gelegt wird, verglichen werden: Solch ein Awoda (Dienst) wird oft Kabbalat Ol (Das Joch annehmen) genannt.

WIE WURDE DIE KELIPA ERSCHAFFEN?

Bisher haben wir die Funktion der Kelipa und ihre Rolle in der Erfüllung des Sinnes der Welt besprochen. Nun wollen wir untersuchen, wie Kelipa in der Schöpfung bebildet wurde. Wie kam das Böse vom guten G-tt?

Im Kapitel 12 über Tzimtzum haben wir erklärt, dass nach dem ersten Tzimtzum das Kaw in die Leere hineingestrahlt wurde, um die Welt zu erschaffen. Wir haben auch die Erschaffung der vier Welten Arzilut, Beria, Yetzira und Assiya beschrieben. Tatsächlich gab es vor der Entstehung von Atzilut noch ein Stadium, das Welt des Tohu (Chaos) genannt wird. In dieser Welt wurde die Kelipa erschaffen.

Die nachfolgende Darstellung basiert auf den Lehren des Arisal und wird Schewirat HaKelim (Zerschlagen der Gefäße). In der Midrasch steht, dass G-tt vor der Erschaffung dieser Welt andere Welten erschaffen hat, die Er dann zerstörte. G-tt hat offensichtlich einen guten Grund, diese anderen Welten zu erschaffen und danach zu zerstören. In den Lehren des Arisal erfahren wir, dass diese Welten nicht dinglich, sondern geistig waren. Die erste Welt, die erschaffen wurde, war die Welt des Chaos, wie es in Genesis 1:2 heißt: „Am Anfang der Schöpfung des Himmels und der Erde durch G-tt war die Erde Tohu Wawohu – chaotisch und leer.“

Nach der Tzimtzum (Zusammenziehung) und der Entstehung der Sefira (G-ttliche Manifestation) und Sefirot (G-ttliche Manifestationen) wurden die Sefirot zunächst in der Welt des Chaos einzeln der Reihe nach angeordnet. Es gab keine Beziehung zwischen ihnen, d.h. Chessed war reine Chessed ohne Beziehung zu Gewura usw. Die Lichter, die in die Kelim Muatim (schwachen Gefäße) der Welt des Chaos eintraten und die überfluteten, waren Orot Merubim (sehr konzentrierte und intensive Lichter). Das Resultat war das Zerschlagen der Gefäße. Diesen Vorgang kann man sich so vorstellen, als ob man eine 60 Watt Glühbirne mit Tausend Watt betreiben wollte. Die Welt des Chaos hatte einen großen Vorteil, da sie brillant und mit intensivem Licht erfüllt war. Sein großer Nachteil lag jedoch darin, dass jede Sefira (G-ttliche Manifestation) egoistisch alles Licht für sich haben wollte, ohne miteinander zu teilen oder nebeneinander zu existieren. Die Wurzel der Unabhängigkeit und des Egos stammen daher von der Welt des Chaos.

Solch eine Welt konnte nicht bestehen und wurde daher zerstört. Eine viel bessere Tikkun (Welt der Verbesserung) wurde an ihrer Stelle errichtet. In der Welt der Verbesserung ist jede Sefira mit jeder anderen Sefira verbunden. Chessed beinhaltet Gewura, - und Gewura beinhaltet Chessed usw. Durch diese Verbindungen, sowie weniger intensive Orot Muatim (kleine Lichter) wurde eine Welt errichtet, die bestehen konnte.

In den kabbalistischen Schriften kann man viel darüber lesen, dass die Sefirot (G-ttlichen Manifestationen) in Igulim (Kreisen oder Geraden) Yoscher (Kreisen) angeordnet sind. Die Begriffe „Kreise“ und „Gerade“ sind Synonyme der Begriffe „Chaos“ und „Verbesserung“. In der Welt des Chaos waren die Sefirot als konzentrische Kreise angeordnet, wobei jeder Kreis unabhängig vom anderen war. In der Welt der Verbesserung und der Geraden sind die Sefirot abhängig voneinander und schließen einander ein. Der Zustand der Verbesserung kann mit einem menschlichen Körper verglichen werden, der aus vielen Organen besteht, die zusammenarbeiten, um die Körperfunktionen auszuführen.

Als die Gefäße des Chaos zerbrachen, fielen 288 Funken von dieser Ebene herunter und wurden in den tieferen Ebenen der Schöpfung eingebettet. Während sie hinunterfielen zerbrachen sie noch mehr. Sie waren wegen ihrer egoistischen Herkunft grob. Die etwas feineren Funken wurden von Atzilut assimiliert. Die anderen Funken wurden in die Welten der Beria und Yetzira eingebettet, wo sie die „bösen“ (oder unabhängigen) Teile dieser Welten ausmachen. Die gröbsten Funken wurden in die Welt der Assyia (Tat) eingebettet und erschufen die Kelipot.

Es soll hier angemerkt werden, dass das Zerbrechen der Gefäße kein „Unfall“ im G-ttlichen Plan war. Im Gegenteil war dieser Vorgang die Voraussetzung dafür, dass das Böse erschaffen werden konnte. Und dies gab den Menschen wiederum die Möglichkeit, ihre Willensfreiheit auszuüben und die Herausforderung anzunehmen, eine Dira BeTachtonim (G-ttliche Wohnstadt) zu erbauen. Außerdem sind in der Kelipa die ursprünglichen Lichter der Welt des Chaos versteckt. Wenn man Kelipat Noga erhöht, oder Kelipot durch Teschuwa (Reue und Rückkehr zu G-tt) zerstört, dann befreit man diese Lichter. In jedem Gegenstand gibt es Funken der Heiligkeit, die befreit werden, wenn man diesen Gegenstand zur Ehre des Himmels verwendet. Es ist möglich, dass manche Funken Hunderte oder sogar Tausende Jahre darauf warten, von jemandem freigesetzt zu werden. Diese Tätigkeit des Befreiens der Funken nennt man Birur Nitzotzot (Verfeinerung der Funken).

Dies kann man am Beispiel des Essens erläutern. Leib und Seele werden durch Essen am Leben erhalten. Jede koschere Speise enthält Funken der Heiligkeit, die freigesetzt werden, wenn man das Essen zur Ehre des Himmels konsumiert, d.h. man isst, um gesund zu sein und Tora zu lernen, und um die Gebote halten zu können.

Die Seele, die von der Welt der Verbesserung abstammt, wird durch diesen von der Welt des Chaos kommenden Funken ernährt. Menschen brauchen Essen, da ihre Seelen durch das Licht der Funken der Heiligkeit ernährt werden, die in dem von der Welt des Chaos kommenden Essen versteckt sind.

Es soll hier folgendes angemerkt werden: Wenn das Essen nicht zur Ehre des Himmels konsumiert wird, dann verbleibt es im Stadium der Kelipat Noga, bis der Körper die Energie des Essens zum Torastudium oder zu anderen G-ttlichen Beschäftigungen verwendet hat. Nichtkoscheres Essen bleibt Kelipa (unreine Schale), bis es derjenige, der es konsumiert hat, bereut. Dadurch erhöht er es im Nachhinein. Das ist Teschuwa. Aber es gibt noch die Möglichkeit, dass G-tt selbst die Funken erhöht.

Die absolute Verfeinerung der Welt wird in den Tagen des Maschiach und danach in der Zeit der Auferstehung der Toten stattfinden, wenn G-tt „den Geist der Unreinheit von der Welt entfernen wird“ (Sacharia 13:2). In dieser Zeit werden alle Kelipot (unreine Schalen) entfernt werden, und alle werden ihre Sünden bereut haben. Da G-tt unendlich ist, wird es immer noch eine ewige Aufgabe bleiben, G-tt zu dienen, um Ihm nahe zu kommen. Diese Zeitspanne wird oft als Schabbat, der Ruhetag, bezeichnet. Dem jüdischen Gesetz entsprechend darf man am Schabbat nur essen, was vor dem Schabbat zubereitet (d.h. gekocht) wurde, da man nicht essen darf, was am Schabbat gekocht wurde.

Die Zeitspanne des Maschiach und danach ist mit Schabbat vergleichbar. Daher leben wir im Moment im „Wochentag“. Jetzt sollten wir uns auf den absoluten Schabbat vorbereiten, wo wir die Früchte unserer heutigen Arbeit, d.h. des Bildens einer Wohnstadt für G-tt in dieser Welt, genießen werden.
 
Quelle: Die Reise nach Innen: Kapitel 16
Wer den richtigen Weg nicht sucht, ihn auch nicht findet.
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freily©

 

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