Von Greg Mills
Nur 20% Israels ist landwirtschaftlich nutzbar. Dennoch hat sich der landwirtschaftliche Output seit Unabhängigkeit des Landes im Mai 1948 versechzehnfacht – ein Vielfaches des Wachstums der Bevölkerung. Dies ist zurückzuführen auf viel Schweiß und noch mehr Innovation und Kooperation.
All das ist nicht neu. In der Nähe der "Desert Plant Research Station" in Beer Scheva befand sich einst ein Hof der Nabatäer, der frühesten Ackerbauern. Über Terrassen wurde jeder Tropfen Wasser gesammelt und auf den Feldern und Plantagen verteilt.
Wenn wir nun wieder 2000 Jahre vorspulen, sehen wir, dass Israel mehr als zwei Drittel seines Bedarfs aus Eigenanbau abdecken kann. Agrarexporte betragen mehr als 2 Milliarden US-Dollar, über die Hälfte davon sind Frischwaren.
Israels Image ist von Konflikten und Ungerechtigkeiten geprägt. Dabei wird übersehen, auf welch intelligente Art und Weise das Land seine Wirtschaft entwickelt hat.
Nehmen wir einmal die Landwirtschaft: Hier hat Israel Technologien entwickelt um den Wasserverbrauch zu reduzieren und sowohl die Ernten als auch die finanziellen Erträge zu steigern. Hocheffiziente Bewässerungssysteme sind im Anbau die Norm. Das ist weit entfernt von der Wahrnehmung 1948, als niemand dem jüdischen Staat große Chancen einräumte.
Trotz eines rapiden Bevölkerungswachstums (mittlerweile mehr als 7,5 Millionen Einwohner) hat Israel ein Pro-Kopf-Einkommen von 29.600 Dollar. Damit nimmt das Land zwischen Spanien und Italien weltweit den 30. Platz ein.
Obwohl Israel von Importen beinahe aller Rohstoffe abhängig ist, von Öl bis hin zu Diamanten, ist es ein globales Industriezentrum geworden. Israel ist weltweit unter den führenden Ländern in der Diamantenverarbeitung, in elektronischer und medizinischer Ausrüstung und seit kurzem auch Software, Halbleitertechnik und Telekommunikation. Am Nasdaq nehmen israelische Firmen nach amerikanischen den zweiten Platz ein.
Es gibt nicht nur eine Erklärung für den israelischen Erfolg, obwohl ganz oben auf der Liste sicherlich die Hingabe des Landes zu Forschung und Entwicklung steht. Die Kritiker Israels führen immer wieder die amerikanische Unterstützung für seinen Erfolg an. Doch ein Großteil der drei Milliarden US-Dollar, die es jährlich aus Washington erhält, geht in militärische Ausrüstung und nicht in die Entwicklung.
Trotz allem gibt es keinen Zweifel, dass die militärische Dimension im Gesamtbild der israelischen Entwicklung eine wichtige Rolle spielt, besonders insofern, als die Situation eine bestimmte Mentalität hervorgebracht hat, die eine Zuverlässigkeit innerhalb der Gesellschaft, langfristiges Denken und ein Ethos der Problemlösung beinhaltet.
Um Ideen in Geschäftskonzepte umzusetzen, unterstützt Israel ein System des Unternehmertums. Es hat ein "Cluster" von Universitäten in großer Nähe zu großen und kleinen Firmen etabliert, das einen virtuosen Raum für Anbieter, Talent und Kapital bietet. Die Regierung stellt 450 Millionen US-Dollar in jährlichen Stipendien zur Verfügung, die an 1200 vielversprechende Projekte vergeben werden.
Wie alles andere im Heiligen Land wird auch die Frage, warum Israel – vor allem im Vergleich zu seinen Nachbarn – wirtschaftlich so gut dasteht, immer auch vom eigenen Blick auf die frühere und gegenwärtige Politik in der Region abhängen. Dabei werden die israelischen Erfolge gerne heruntergespielt und das Land sowohl als Sündenbock als auch als Prügelknabe für die Fehler der anderen missbraucht. Und da beinahe die Hälfte der Bevölkerung des Westjordanlandes und 80% der des Gazastreifens unter der Armutsgrenze leben, bietet das nicht nur die Bedingungen für Mangel, Arbeitslosigkeit und Radikalisierung sondern auch Munition für die Gegner Israels.
Israel steht immer noch ernsthaften wirtschaftlichen Herausforderungen gegenüber, nicht zuletzt die Überkonzentration des Wohlstands in den Händen von etwa fünfzehn Familien von Wirtschaftsmagnaten, die jene Konzerne kontrollieren, die die israelische Wirtschaft dominieren.
Doch trotz allem beinhaltet das Beispiel von Israels "Performance trotz aller Widrigkeiten" zahlreiche Lektionen für Entwicklungsländer, die nicht ignoriert werden sollten. Im Gegensatz zu den hoch politisierten Karikaturen Israels als Protektorat der USA, das den Holocaust für sich ausnützt, entstammen beinahe alle seine Erfolge der starken Überzeugung, dass das eigene Schicksal nicht in der Verantwortung der Anderen liegt.
Entwicklungsländer täten besser daran, Israel nachzueifern als es schlechtzumachen.
(Sunday Times, 13.11.11)